Umwege erweitern die Ortskenntnis
Ich bin sicher, du kennst diese Redewendung. Vielleicht hast du dir sogar schonmal tiefere Gedanken dazu gemacht. Für mich, Hanna, ist sie das Leitbild meiner Zeit als Teen und Twen.
Denn es gibt etwas, was ich offensichtlich so gar nicht kann: geradeaus gehen. Ich schaue ständig links und rechts und drehe furchtbar gerne Kurven und schau mir Dinge sehr genau an, bevor ich weitergehe oder mich entscheide erstmal noch woanders hin abzubiegen. Diese Eigenschaft hat meine Familie und mein Umfeld rasend gemacht, weil ich aus ihrer Sicht auch wirklich nie einfach mal was zuende machen konnte und auf direktem Weg über Los gehe und 2000 Euro einsacke.
Fun Fact No. 1: Ich habe 2 mal das Gymnasium, 3 Ausbildungen und ein Studium geschmissen.
Mir kommt immer was dazwischen und das ist der unbändige Wille, unabhängig zu sein. Mich nicht fremdbestimmen zu lassen. Mit diesem Antrieb ist es mir möglich, all meine eingeschlagenen Wege immer und immer wieder zu hinterfragen, auf Tauglichkeit zu überprüfen und mich so von Glaubenssätzen zu befreien wie “Du brauchst eine anerkannte Ausbildung, dann hast du was richtiges in der Tasche”. Und soll ich dir was sagen?
Fun Fact No. 2: Ich habe eine anerkannte Ausbildung, aber nie in dem Tätigkeitsfeld gearbeitet und brauche nichts daraus für mein Leben heute.
Natürlich gibt’s für solche Menschen wie mich nicht viel Verständnis aus der breiten Masse. Kennst du das, wenn dich Freunde und Verwandte gerne mal für bekloppt halten, wenn du wieder eine “fixe Idee” hast und dein Leben umkrempelst? Weil du einfach anders denkst und deine Vorstellungen zu einem guten Leben von denen deine Nachbarn so sehr abweichen? Schuldig, im Sinne der Anklage.
Auch der Holzweg ist ein Weg
Lange Zeit habe ich wirklich gedacht, dass an mir irgendwas falsch sein muss. Warum langweile ich mich so schnell im Job? Warum schlittere ich dann in eine Depression, wieder und wieder… und warum ist es sogar das öffentliche Ziel einer psychosomatischen Klinik, die ich für ein paar Wochen freiwillig besuchte, dass meine “Arbeitsfähigkeit” wiederhergestellt wird? Warum kann man einer Jugendlichen schon eine “Anpassungsstörung” attestieren?
Doch diese Zeit des vermeintlichen Scheiterns ist eine für mich so wichtige Phase des Wachstums gewesen. Ich erfuhr, was ich NICHT wollte und wie ich nicht bin.
Fun Fact No. 3: Ich bin 10x in 12 Jahren umgezogen und habe schon in Hamburg, München, Augsburg, Köln, Leipzig und Weiden in der Oberpfalz gewohnt, bevor ich in unser Wohnmobil gezogen bin. Ich lebe nun länger im Wohnmobil als ich es je in ein und derselben Wohnung ausgehalten habe.
Ich gab mich nicht zufrieden mit dem, was war. Würdest du das? Ich entschied also, nach meinen eigenen Regeln zu leben und mir nicht mehr sagen zu lassen, was “gesellschaftlich angemessen” ist und was es nicht ist. Mir wurde klar, dass ich mit Menschen auf Augenhöhe arbeiten und keine Vorgesetzten zufrieden stellen kann. So konnte ich endlich loslassen von der Vorstellung eines tollen Jobs und erkannte, dass nur die Selbstständigkeit all das beinhaltet, was ich so sehr brauche.
Taten sprechen mehr als Worte
Als ich Mama wurde, habe ich endlich meinen Mut gefunden und mich von all den vorgefertigten Wegen, die ich doch bitte gehen sollte, loszusagen. Ich begriff, dass es total egal ist, was auf Dokumenten abgeheftet hinten im Aktenschrank steht (aka Zeugnisse, Abschlüsse, Titel). Findest du nicht auch, dass es viel wichtiger ist, was jemand tut, als welchen Abschluss der Mensch hat?
Als Selbstständige kann ich endlich nach meinen Vorstellungen und Werten leben und noch dazu ermöglicht es mir, auch meinen Kindern diese Unabhängigkeit vorzuleben, die sie als Freilerner (Spoiler: Unsere Kinder gehen nicht zur Schule!) mit der Muttermilch schon aufsaugen konnten. Denn eine Kindheit in Freiheit ist uns enorm wichtig, damit unsere Kinder nicht Jahre damit zubringen, sich erst wieder finden zu müssen, sondern niemals ihre Freude am Lernen und Wachsen verlieren. Und dazu braucht es Offenheit. Offenheit für all die Prozesse, die stattfinden. Ob bei mir, uns oder bei dir. Wenn dein Weg mit deinen Kindern ein anderer ist, so wissen wir genau, dass du auf deinem Weg bist und wir auf unserem und dass es keinen Grund gibt, zu vergleichen oder zu bewerten.
Denn wir alle sind genau dort, wo wir sein müssen, um weiterzukommen.