FAQ Freilernen Unschooling

Freilernen: Das große FAQ zum Unschooling / Freilernen

Aug 21, 2021 | 3 Kommentare

Ein Campingplatz irgendwo in Rumänien. Es ist Sommer.

Was unser Alltag ist (wir sind zum Wäschewaschen auf diesem Platz gelandet), ist der Urlaub vieler anderer Menschen, denen wir begegnen. Nicht selten treffen wir auch hier auf andere Deutsche, die nach den ersten Minuten schon feststellen, dass wir nicht zu den üblichen Urlaubern gehören. Unweigerlich werden die Fragezeichen größer, wenn das Thema Schule bzw. Unschooling / Freilernen auftaucht. Auch heute wieder. Inspiriert von diesem wirklich guten Gespräch entsteht nun unser FAQ zum Freilernen / Unschooling.

Ein paar der immer wiederkehrenden Fragen von unseren (teilweise) irritierten, aber interessierten Mitmenschen oder besorgten Familienmitgliedern für euch beantwortet:

Häufigste Sorgen zum Freilernen:

Wie lernen Freilerner, wenn sie keine Schule besuchen?

Sehr häufig begegnet mir der Glaubenssatz, dass Lernen und Bildung nur in Schulen stattfinden kann. Ich fordere dich heraus, diesen Glaubenssatz abzulegen.

Was Freilernen wirklich ist:

  • Lernen kann höchst individuell aussehen und ist nicht an einen Ort gebunden.
  • Lernen bedeutet nicht Hefte aufzuschlagen und Übungen nach Vorgabe darin zu machen.
  • Es ist unmöglich nicht zu lernen.
  • Lernen ist Spiel.
  • Das Leben ist Lernen.

Menschen kommen schon neugierig und wissbegierig auf Welt und nehmen in jungen Jahren alles auseinander und ahmen ihre Bezugspersonen nach (manchmal zu unserem Leidwesen, aber auch das Laufenlernen gehört dazu). Kommen Kinder in die Schule, zeigt sich, dass die Freude an Neuem, an Unbekanntem, am Verstehen und Lernen mit der Zeit nachlässt und weniger wird. Dies ist jedoch nicht dem Alter geschuldet. Desinteresse wird dann geweckt, wenn etwas zur Pflicht wird.

Kennst du vielleicht selber aus deinem Alltag. Sobald du etwas machen musst, fühlt es sich nicht mehr unbedingt gut an. Du fühlst dich fremdbestimmt. Kannst du aber frei wählen, ob du etwas tust, entscheidest du dich mit viel mehr Freude für etwas.

Warum freilernen?

Der deutsche Schulzwang, Leistungsdruck, Gruppenzwang, Belohnung & Strafe, ständige Beobachtung & Bewertung und der Lehrplan, laut dem alle Kinder zu selben Zeit das selbe lernen sollen, obwohl sie total unterschiedliche Menschen sind, ersticken innerhalb kürzester Zeit das Feuer der Neugier in uns Menschen.

Nicht mal am Nachmittag bleibt noch Zeit, um sich tief den eigenen Interessen zu widmen oder diese überhaupt erst zu entwickeln. Was macht ein Mensch unter Druck & Zwang? Zu machen. Die Schotten dicht machen. Alles, was irgendwie mit Schule in Zusammenhang gebracht werden könnte, wird ab jetzt nur noch mit der Kneifzange angefasst.

Freilerner lernen also vom Leben selbst. Ohne Vorgabe von Themen, sondern ganz nach den eigenen Interessen. Sie lernen genau das, was für sie gerade dran ist. Und das in einem irren Tempo, weil sie alles dazu aufsaugen wie ein Schwamm das Wasser. Dieses Lernen findet aus intrinsischer Motivation, also von innen heraus, statt. Hier ist der Mensch kein Objekt, in den etwas „hineingestopft“ wird, das da vielleicht gerade gar nicht hinein will oder drin sein muss. Der jeweilige Mensch entscheidet hier selbst, was hinein soll und wann und in welchem Umfang und genau das ist die Selbstbestimmung, die ich anstrebe.

Freilernen (Unschooling) – Weg in die Freiheit

Wie und wann lernen eure Kinder beim Freilernen lesen und schreiben?

Dazu möchte ich erst etwas vorweg zum Schulsystem sagen: In deutschen Schulen lernen Kinder ab sechs Jahren zu lesen und zu schreiben. Nicht, weil jedes einzelne Kind dazu bereit wäre in dem Alter, sondern weil das Schulsystem mit dem Versuch der Massenbildung – nicht nach Maß – sich selbst begrenzt.

Am besten geht das, wenn man Informationen geschrieben an die Masse verteilt, weil man so eine größtmögliche Anzahl Menschen erreicht und alles weitere mit diesem Werkzeug (nichts anderes ist Lesen) im Klassenzimmer theoretisch erlernt werden kann. Doch der Bezug zum eigentlichen Leben und Alltag geht hier verloren. Wie und wann in Schulen lesen und schreiben beigebracht wird, hat nichts damit zu tun, was das beste für die einzelnen Menschen wäre, sondern nur damit, was das beste für das System Schule ist.

Lesenlernen ist für unsere Kids beim Freilernen, wie für viele Geschwister, höchst individuell und beide Kids verfolgen dabei unterschiedliche Ansätze. Genau sagen, wie sie es im Speziellen lernen, können wir gar nicht, da nicht alle Schritte offen sichtbar sind. Das Ergebnis sehen wir dann im Alltag, wenn eines der Kinder plötzlich etwas liest oder schreibt und uns immer wieder mit neuen Fähigkeiten und Wissen überrascht. Nämlich genau dann, wenn sie selbst dazu bereit sind.

Manche Kinder, die freilernen, können plötzlich lesen und der Lernprozess war nie sichtbar. Andere lernen es über viele Jahre in kleinen Schritten, sichtbar für andere. Manche erkennen Wörter an ihren einzelnen Silben oder Buchstaben, andere verinnerlichen Wörter als Ganzes. Manche stellen viele Fragen und andere beobachten im Stillen.

Lesen wird genau dann wichtig für ein Menschen, wenn er selbst merkt, dass er sich mit dieser Fähigkeit das Leben erleichtern kann oder etwas ohne Hilfe erreicht, wofür er sonst Hilfe brauchte (sich helfen lassen ist gut und schön, aber selbstständig werden ist überlebenswichtig). Nicht mehr warten müssen, dass ein Erwachsener das heißgeliebte Buch endlich weiterliest, mit Freunden über Distanz kommunizieren können oder einen Laptop bedienen können, um noch mehr Informationen zu einem Thema zu zu bekommen, sind nur einige Beispiele.

Freilerner finden vieles neben Büchern und Comics zum Üben: Straßenschilder, Werbetafeln, Namen von Geschäften, Nummernschilder, Spiele, Textnachrichten von Oma, Lebensmittelverpackungen und so weiter.

Es gibt ja schon wichtige Themen wie z.B. Rechtschreibung. Wie lernen eure Kinder sowas beim Freilernen / Unschooling?

Es gibt viele wichtige Themen. Menschen lernen die Dinge, die für sie dran sind, die für sie grad Bewandtnis haben. Und die dann richtig gut und schnell, wenn die intrinsische Motivation (die Motivation aus einem selbst heraus ohne Druck oder Antrieb von außen) sie antreibt. Das ist beim Freilernen nicht anders.

In unserem Beispiel wäre es beim Freilernen / Unschooling so:
Rechtschreibung werden sie dann lernen, wenn andere Menschen Probleme haben, die geschriebenen Texte zu lesen und verstehen. Die eigene Motivation wächst immer dann, wenn die Notwendigkeit dazu besteht und ihnen der Sinn deutlich wird. So wie Kleinkinder lernen deutlich zu sprechen, weil sie merken, dass sie sonst nicht verstanden werden, so lernen Freilerner richtig zu schreiben, weil sie sonst nicht richtig gelesen werden. Zudem lernt sich Rechtschreibung insbesondere durch’s Lesen selbst. Was das Auge immer wieder sieht, kann es sich einfacher so merken.

Jetzt sagst du: „Aber mein Sohn liest gar nicht gern.“
Das mag sein. Aber warum ist das so? Wurde er eventuell zu einem Zeitpunkt gezwungen es zu lernen, als er noch gar nicht selbst das Bedürfnis danach hatte?
Dies ist einer der Hauptgründe, warum Menschen heutzutage Probleme mit dem Lesen haben oder schlichtweg keinen Bock drauf. Sie haben das Lesenlernen als Pflicht/Zwang wahrgenommen. Es war nichts, das sie zu dem Zeitpunkt speziell interessiert hat oder worauf sie besondere Lust verspürten oder es wurde ihnen durch ständige Vorgaben und Wiederholungen auf schon 30x kopierten Aufgabenblättern madig gemacht.

In der Folge meiden sie dann dieses Feld und nutzen ihr mit Müh und Not Erlerntes nur für das wirklich Nötigste. Durfte ein Mensch den Zeitpunkt und auch das „Wie“ selber wählen und erkennt den Nutzen daraus für sich selbst, so entwickelt sich gar nicht erst eine Abneigung und der Mensch bleibt offen für Texte jeglicher Art.

Wusstest du, dass bei der IGLU-Studie von 2021 herauskam, dass 25% der Viertklässler in Deutschland den gerade gelesenen Inhalt eines Textes nicht versteht?

Soll dein Kind wieder Freude am Lesen bekommen? Dann ab ins Deschooling!

Kann man als Freilerner / Unschooler einen Schulabschluss machen?

Japp, das ist möglich (aber nicht für alle nötig). Einen Abschluss kann man in Deutschland als sog. Externe an Schulen machen. Wenn der Mensch das selber möchte, wird sich entsprechend darauf vorbereitet und sich für die Prüfung angemeldet.

Ein Abschluss bei der Berufswahl ist allerdings nicht zwingend erforderlich. Durch den Schulbesuch werden wir auf eine Karriere als Angestellte vorbereitet und nicht auf die Möglichkeit, dass wir uns selbstständig machen. Mit dieser „Angestelltendenke“ meinen wir dann, dass wir unser Wissen & Können erst testen lassen müssen, um uns mit einem Wisch darüber bestätigen zu lassen, dass wir diese Fähigkeiten haben. Wir sind es einfach gewohnt bewertet zu werden.

Handbuch zur externen Prüfung

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„Knowledge has no value except that which can be gained from its application toward some worthy end. This is one reason why university degrees are not guarantees of successful careers.“
Zu deutsch: „Wissen hat nur dann einen Wert, wenn es zu einem sinnvollen Zweck eingesetzt werden kann. Das ist ein Grund, warum Universitätsabschlüsse keine Garantie für eine erfolgreiche Karriere sind.“

Napoleon Hill

Das Ziel ist also nicht bei allen Menschen eine gut bezahlte Anstellung zu finden, sondern sich mit dem selbstständig zu machen, was ihnen liegt. Zudem beginnen auch Arbeitgeber und sogar Universitäten zu verstehen, dass Noten auf einem Blatt Papier nichts über die Person aussagen, dessen Name oben drauf steht, so dass ein Abschluss in Zukunft nicht mehr den Stellenwert haben wird, den er heute vermeintlich noch hat. Kreative, offene und hinterfragende Köpfe werden als Mitarbeiter schon vielerorts sehr geschätzt.

Gerald Hüther, Neurobiologe/Hirnforscher, sagt dazu folgendes:

„Und wenn Schule anders wäre, um es so auf den Punkt zu bringen und aus allen unseren Schulen tolle junge Leute herauskämen, die richtig gebildet wären und wüssten, was sie wollten, müssten wir unser Wirtschaftssystem zumachen. Weil die brauchen den ganzen Schrott nicht. Das heißt, wir brauchen möglichst schlechte Schulen, damit wir genügend Kunden für den Müll haben, den wir hier ihnen andrehen wollen. Das geht bis in die Politik. Wir brauchen möglichst unmündige Wähler, damit die ihre ständigen Diskussionsveranstaltungen im Fernsehen machen können. Die Schule dient sozusagen dazu, das zu produzieren […].“

Gerald Hüther, deutscher Neurobiologe
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Können Menschen, die mit Freilernen / Unschooling groß geworden sind, ganz normal in unserer Gesellschaft leben oder leben alle in Parallelgesellschaften und können nur selbstständig Geld verdienen?

Jedem Menschen steht es frei, die Art der Gesellschaft zu wählen, die ihm zusagt. Auch Unschooler bzw. Freilerner können ganz normal am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, sofern sie es möchten und als Angestellte in den gängigen Jobs tätig werden. Absolut notwendige Abschlüsse können erlangt werden, sollten sie sich dafür entscheiden (siehe Frage oben drüber). Auch das wäre freilernen.

„Ich bin sehr froh, dass meine Eltern mich dazu gezwungen haben, einen Uni-Abschluss zu machen und nicht abzubrechen. Das bildet einen ja auch charakterlich, wenn man etwas zu Ende bringt, auf das man keine Lust hat und das man nicht braucht.“
Woher nehmen eure Kinder solche Erfahrungen?

Gegenfrage: Tut es das? Was hat man gewonnen, wenn man etwas zu Ende bringt, mit dem man eh nichts anfangen möchte? Bildet es einen charakterlich nicht viel eher, wenn man sich entgegen der weitläufigen Meinung, man sei „gescheitert“ einfach gar nicht als Versager fühlt, sondern sich darüber freut, dass man keine weitere Zeit mit etwas verschwendet, was man eh nicht machen will? Und diese Zeit vielleicht sogar dafür nutzt, etwas zu tun, was den eigenen Bedürfnissen und Interessen eher entgegen kommt? Wer entscheidet, was scheitern ist? Und wer sagt, dass scheitern schlecht ist (sondern wieder eine Option zu lernen)?

Und: Gibt man die Verantwortung nicht auch dabei an andere ab, wenn man erwartet, dass sie einen zu etwas zwingen sollten, was man auch selbst tun könnte, wenn man nur wollte?

Ja, es bildet einen charakterlich, wenn man Dinge tut, die man nicht möchte und nicht braucht. Die Frage dabei ist aber viel mehr, ob diese charakterliche Bildung tatsächlich erwünschenswert und im Leben hilfreich ist.

Natürlich machen wir auch beim Freilernen alle Dinge, sogar tagtäglich, auf die wir eventuell keinen Bock haben. Etwas aufheben, weil es uns runtergefallen ist, abwaschen usw. zählen sicherlich viele dazu. Wenn du aber gerne in einem sauberen Haushalt leben magst, dann ist das entweder ein „Opfer“, das du bringen musst oder du machst es gerne, weil es dir ermöglicht in einem sauberen Haushalt zu leben. Hier steckt ja ein direkter Sinn hinter der Tätigkeit. BWL zu studieren, auf das man keinen Bock hat und in dem man eigentlich auch nicht arbeiten will, gehört definitiv nicht dazu.

Ohne Schule fehlt den Kindern aber doch die nötige Sozialisation, oder nicht?

Menschen werden ihr leben lang „sozialisiert“. Das passiert immer dann, wenn sie auf andere Menschen treffen. Dabei ist es egal, wie alt diese Menschen sind. Sozialisation findet mit der Oma statt und mit dem Nachbarsbaby, mit dem Kassierer und der Treckerfahrerin, mit den Nachbarskindern, den Kindern aus dem Sportverein oder Pfadfindern, der Familie im Gesamten und dem gesamten Umfeld dieses Kindes. Für eine gute Sozialisation empfinde ich Schulen tatsächlich als kontraproduktiv. Jeden Tag im Wettstreit, Ältere gegen Jüngere, Schüler gegen Lehrer, wenig Zeit für echte Freunde und Interessen, dazu Mobbing und Bullying. Freilernen bietet die 1:1 Betreuung, die einfach oft noch nötig ist.

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Man muss aber doch lernen sich in Gruppen einzufügen!?

Muss man das? Wer sagt das? Und warum?
Es gibt Menschen, die tun das sehr gerne, andere wiederum nicht. Wir sind nicht alle gleich und manchen wird es leichter fallen und anderen nicht. Deshalb sind nicht die einen richtig und die anderen falsch. Wer gerne in Gruppen lebt, wird das tun und dort seinen Platz finden. Wer das nicht so gern hat, lässt es bleiben und wird auch seinen Weg gehen. Gruppen finden sich überall in unserer Gesellschaft. Eine Schule ist dafür nicht die einzige Möglichkeit und kein Garant dafür, dass ein Mensch lernt sich in eine Gruppe einzufügen.

Aber muss nicht jeder mal Dinge tun, auf die man keine Lust hat?

Muss man das? Wer sagt das? Und warum?
Soweit ich mich erinnere, können Erwachsene selber entscheiden, was sie gerne arbeiten möchten, wann sie aufstehen, was sie mit ihrem Geld anfangen, ob sie überhaupt morgens aus dem Bett steigen, jeden Tag Pizza essen, den Job kündigen, wenn man keinen Bock mehr drauf hat u.s.w.

Kinder, die zur Schule gehen, dürfen in Deutschland nicht kündigen. Können sich ihre Kollegen nicht aussuchen. Nicht mal das Arbeitsfeld, müssen sogar noch fragen, ob sie mal aufs Klo dürfen. Warum messen wir mit zweierlei Maß und zwingen unsere Kinder zu etwas, das wir als Erwachsene nicht freiwillig tun würden?

Und ja klar gibt es Situationen, die wir gerne anders hätten. Unsere Kids möchten manchmal auch lieber ein Eis zum Frühstück, anstatt ein gesundes Müsli. Oder müssen mal Zeug aufräumen, wenn Platz für anderes frei wird, können nicht immer entscheiden, was gespielt wird, sondern müssen auch aushalten, wenn andere Kinder was entscheiden möchten. Diese Situationen verhindern wir ja nicht, indem die Kinder nicht in die Schule gehen. Die kommen von ganz alleine und steigern die Frustrationstoleranz eines jeden Menschen. Warum künstlich noch mehr davon erzeugen?

Aber ich bin doch kein Lehrer, ich kann doch nicht alles wissen! Woher nehmt ihr das ganze Wissen fürs Freilernen?

Ganz einfach: Haben wir nicht. Aber das macht gar nichts. Unser Ziel ist, den Kids zu zeigen, wo und wie sie an die Informationen herankommen, die sie benötigen. Und genau das leben wir ihnen beim Freilernen vor, wenn wir selbst etwas nicht wissen. Auch Lehrkräfte wissen nicht alles. Wir ebenso nicht und es ist keine Schande, wenn man etwas nicht weiß. Es ist eher eine Schande, vorzugeben etwas zu wissen, was man nicht weiß. 😉

Wir wenden uns bei Bedarf an Bücher, ans Internet, Dokumentationen und Fachleute (offizielle und inoffizielle), wenn wir etwas wissen möchten und erschaffen uns so eine breite Palette an Möglichkeiten.

Und mal ganz nebenbei gesagt: Der deutsche Lehrplan ist nicht das AO der Allgemeinbildung. Wie oft hast du in deinem Leben eine Kurvendiskussion gebraucht (außerhalb der Schule) und wieviel Zeit deines Lebens hast du für das Lernen verschwendet?
Meinst du nicht, du hättest es auch später noch lernen können, nämlich genau dann, wenn es du es tatsächlich brauchst und der Sinn deine intrinsische Motivation aufbaut?

Ist eure Motivation für’s Freilernen / Unschooling, den Kindern euer eigenes Weltbild überzustülpen?

Kurz: Ja und nein.

Lang: Ja, weil wir es als unsere Aufgabe als Eltern erachten, unseren Kindern unsere Werte zu vermitteln. Wir glauben, dass es Aufgabe aller Eltern ist, ihren Kindern das auf ihrem Lebensweg mitzugeben, was sie selbst für wertvoll, moralisch oder allgemein ethisch halten.

Nein, weil ich unseren Kindern vorleben möchte, nichts einfach so als gegeben hinzunehmen, sondern viel zu hinterfragen. Dabei kann es passieren, dass sie auch mich hinterfragen. So können sie sich jederzeit auch von meinem Weltbild abwenden, weil sie durch’s Hinterfragen auf andere Ergebnisse gekommen sind als ich.

Freilernen ist kein System, keine Glaubensgemeinschaft. Freilerner leben nicht alle nach den selben Regeln und Prinzipien, sondern sind so unterschiedlich, wie Menschen nun mal sind. Sie werden nicht von einem System in ein anderes gepresst, sondern aus den Systemen herausgenommen. Sie verschaffen sich einen Überblick und können frei entscheiden, ob sie Teil eines Systems sein möchten oder nicht und wenn doch, von welchem.

Hinweis: Es ist immer Aufgabe der Schule, den Kindern das Weltbild zu vermitteln, das die jeweilige Regierung gerade als die für sich förderlichste hält. In Schulen passiert ebenso ein Überstülpen von Weltbildern, aber eben oft ohne Kenntnis oder Bewusstsein dafür der Eltern.

Des weiteren denke ich nicht, dass man wirklich frei aufwachsenden Kindern auch nur irgendwas überstülpen kann, das sie nicht wollen. Geht einfach nicht.

Warum sind Freilerner / Unschooling – Familien oft gegen alles mögliche wie Schulmedizin, warum lehnen sie so vieles ab, was gängige Praxis ist?

Ob das oft der Fall ist, kann ich nicht beurteilen. Uns sind sowohl ganz „durchschnittliche“ Freilernerfamilien bekannt, aber ebenso viele, auf die die Beschreibung zutreffen mag.

Wer einmal begonnen hat ein bestimmtes System zu hinterfragen und daraus ausgestiegen ist, beginnt oft auch weitere Systeme zu hinterfragen. Je nachdem wie das Ergebnis der Recherche lautet, wird nun also auch aus weiteren System ausgestiegen. Dazu muss nicht der Ausstieg aus dem Schulsystem die Zündung dieser Kettenreaktion auslösen. Ich denke, es ist egal, aus welchem System man zuerst aussteigt.

Manche Menschen erleben die Grenzen der Schulmedizin oder eine traumatische Geburt ihres Kindes hinterlässt tiefe Spuren in der Familie. Sie beginnen nun zu hinterfragen. Nach ihrer Recherche entscheiden sie sich Stück für Stück aus dem staatlichen System zu Krankheit und Gesundheit auszusteigen. Oder eben auch nicht!

Da sie nun für mögliche fehlerhafte Systeme ein Auge bekommen haben und kritisch überprüfen, erkennen sie eventuell das Schulsystem oder das Rentensystem oder irgendein anderes System für sich als auch fehlerhaft und steigen daraus aus.

Ein Domino-Effekt?

Was ist mit Kindern aus „bildungsfernen“ Schichten mit Eltern in Schicht- oder Vollzeitjobs? Würde es keine Schulpflicht geben und Unschooling erlaubt, würden diese eventuell vernachlässigt und ungebildete Analphabeten bleiben.

So sehr ich diese Sorge nachvollziehen kann, so ändert die Schulpflicht nichts am Schicksal dieser Kinder. Es gibt auch mit der Schulpflicht Leid in Familien. Dieses Leid wird es auch ohne Schulpflicht geben. Nur weil es keine Schulpflicht gibt, heißt das ja nicht, dass alle Eltern ihre Kinder von nun an zu Freilernern / Unschoolern machen. Es wird ja lediglich die Wahl gelassen, die Kids ins Schulsystem zu schicken oder eben nicht.

Zudem behaupte ich, dass sich Menschen, die sich keine intensiven Gedanken um Bildung machen, eher geneigt sind, ihre Kinder in Schulen zu geben, weil sie glauben, dass ihre Kids damit eine bessere Bildung erhalten als sie sie selbst bekamen. Menschen, die sich intensiv mit Bildung auseinandersetzen, die werden andere Wege wie z. B. Freilernen / Unschooling oder alternative Schulformen suchen und diese Kinder sind dann sehr wahrscheinlich auch nicht der Gefahr der Vernachlässigung ausgeliefert, weil eh ein anderer Denk- und Lebensansatz verfolgt wird.

Zudem gebe ich zu bedenken, dass jetzt bereits tausende (wenn nicht Millionen) Kinder in Deutschland unter der Schulpflicht leiden. Können wir von all diesen Kindern verlangen, dass sie u. U. traumatische Kindheiten erleben aufgrund der Schulpflicht? Die das einfach aushalten müssen für diejenigen, deren Eltern sich nicht sehr mit dem Thema Bildung befassen? Wo fangen wir da an Leid zu bewerten und wo hört es auf?

Sicherlich müssen Lösungen her, um Kindern Schutz zu bieten, die vernachlässigt oder anders misshandelt werden. Doch das ist weder Aufgabe des Schulsystems, noch kann die Schule dieser Verantwortung gerecht werden. Auch im internationalen Vergleich werden in Ländern ohne Schulzwang (aber mit Bildungspflicht) nicht automatisch mehr Kinder misshandelt.

Was ist, wenn eure Kinder feste Freundschaften aufbauen möchten und wieder sesshaft werden wollen?

Unsere Kinder sind unterwegs durchaus in der Lage feste Freundschaften zu bilden. Wir suchen unsere Ziele nicht nur nach Bildungsmöglichkeiten aus, sondern auch danach, ob Freunde vor Ort sind, so dass sie nicht immer nur neue Kinder kennenlernen, sondern auch mit gewohnten Freunden sein können.

Sobald sich Bedürfnisse innerhalb der Familie verändern und einen Lebensstilwechsel nötig machen, ist es für mich selbstverständlich eine Option wieder zeitweise sesshaft zu werden oder meine Art zu reisen an unsere veränderten Bedürfnisse anzupassen. Wir nehmen das Leben wie es kommt.

Dürfen eure Kinder in die Schule, wenn sie das möchten?

Ein absolutes Ja. Sollte der Wunsch aufkommen, mal eine Schule auszuprobieren, werden wir das unseren Kindern ermöglichen. Auf regelmäßige Nachfrage antworten beide bisher immer gleich. Sie treffen viele Kids unterwegs, die bereits Schulen besucht haben und von ihren Erfahrungen berichten. Das alleine sorgt schon dafür, dass sie aktuell nicht erpicht drauf sind und weiter Freilerner bleiben möchten.

Aus unserem Alltag

Wie geht ihr mit Situationen beim Freilernen um, die ihr nicht alleine meistern könnt? Wenn das Kind z. B. ein Instrument lernen möchte, das ihr ihm nicht selbst beibringen könnt oder eine Teamsportart ausüben möchte?

Wir holen uns Hilfe. Wir wissen und können nicht alles, aber wir wissen, wie man Menschen oder Informationen findet, die uns helfen können. Möchte eines unserer Kinder von sich aus ein Instrument lernen, so zeigen wir ihm die uns bekannten Möglichkeiten auf, die auch zum jeweiligen Alter und Typ passen (z. B. selber ausprobieren, Bücher, Internetrecherche, Online-Videokurs, „echter“ Mensch, der online oder offline lehrt).

Im Falle einer Teamsportart suchen wir ein Team, von dem es Teil werden kann. Dieser Punkt ist auf Reisen allerdings manchmal schwierig. Nicht immer hat man im Land so viele Kontakte, dass man eine Fußballmannschaft aufstellen kann oder ist lange genug an einem Ort, so dass sich eine Vereinsmitgliedschaft lohnt. Wenn ein Interesse sehr groß wird und wir uns nicht mehr in der Lage fühlen, das Interesse „bedienen“ zu können aufgrund unseres Lebensstils, dann werden wir auch am Lebensstil feilen. Wir sind und bleiben flexibel und passen unser Leben an unsere Bedürfnisse an.

Ich bin alleinbegleitend. Wie kann ich meinen Alltag im beim Freilernen / Unschooling organisieren und Kinder und Job unter einen Hut bringen, wenn die Kinder nicht durch die Schule betreut werden?

Familien mit einem Elternteil brauchen natürlich mehr Organisation, als Familien, in denen ein Elternteil sich um den Job kümmern kann und das andere betreut. Wir machen das zum Beispiel meist im Wechsel.

Natürlich betrifft die Organisation eines für alle passenden Freilerner-Alltags nicht nur alleinbegleitende Elternteile. Hier ein paar Schräubchen, an denen alle drehen können, die sich fragen, wie ein Alltag ohne Fremdbetreuung funktionieren kann:

1. Netzwerke schaffen

Finde Gleichgesinnte in deiner Umgebung (ob nun in fester Wohnung oder auf Reisen) und teilt euch die Betreuung bei noch jüngeren Kindern für ein paar Stunden am Tag auf. Ab 6 Jahre gehen schon viele (nicht alle) gerne mal woanders hin zum Spielen oder u. U. auch alleine in den Sportverein etc. Ältere Kinder benötigen natürlich nicht mehr so intensive Betreuung und sind auch mal sehr froh, wenn sie was alleine machen können.

2. Den passenden Job finden

Findet einen Job, bei dem du zeitlich und womöglich auch örtlich ungebunden bist und den du nicht 8h pro Tag ausüben musst, um für dein Einkommen zu sorgen. Was jetzt für viele wie ein schlechter Scherz klingt, ist aber durchaus mein Ernst. Es gibt diese Jobs. Es ist nur kaum wer gewillt tatsächlich die Verantwortung zu übernehmen und die Arbeit zu machen, weil es nun mal keine „offiziell anerkannten“ Tätigkeiten sind.
Ein paar Ideen findest du hier: Ortsunabhängig arbeiten ist (k)ein Hexenwerk – 5 Ideen für deine Unabhängigkeit. Darüberhinaus gibt es selbstverständlich noch weitere Möglichkeiten. Bleib offen, werde selbst zur Freilernerin und eigne dir das an, was du dazu brauchst.

Mindsetshift: Selbstständig arbeiten bedeutet gar nicht „selbst und ständig“ zu arbeiten, wenn du es richtig machst. >>> Online Job: Der ausführliche Vergleich zu Selbstständigkeit vs. Anstellung

3. Langeweile zulassen

Die meisten Kinder heutzutage kennen kaum Langeweile. Ständig bekommen sie Reize von außen. Entweder wird ihnen ein Tagesablauf auferlegt, der ihnen keine Zeit für Langeweile lässt (Aufstehen, Schule, Hausaufgaben, Nachmittagsaktion, Ins Bett) oder sie lenken sich bei den ersten ungemütlichen Gedanken an Langeweile direkt mit Unterhaltung ab oder fordern Unterhaltung TV/Smartphone/Tablet ein. Sind wir mal ehrlich: Gelernt haben sie es von den besten, nämlich ihren eigenen Eltern, die ebenfalls gerne zum Smartphone greifen oder meinen sich abends mit TV berieseln lassen zu müssen, wenn man „nichts zu tun“ hat. Hast du mal versucht dich eine Stunde lang auf einen Stuhl zu setzen und nichts zu tun?

Langeweile aber ist essentiell für Kreativität. Erst wenn ein Mensch Langeweile zulässt und aushält, wird das Hirn aktiv und sucht sich selbst eine kreative Beschäftigung, wenn keine von außen kommt. Das dauert meist so 20min und je häufiger „geübt“, desto schneller springt das Gehirn auf „innen“ anstatt „außen“ zu verweilen. Mit dieser Kreativität entwickelt sich auch Selbstwert. Anerkennung und Zustimmung durch Andere braucht dieser Mensch immer weniger und weniger.

Lass also ruhig Langeweile zu. Wenn es um einige Stunden Arbeit geht, die erledigt werden muss, sei es um Geld zu verdienen oder andere alltägliche Organisation, darfst du guten Gewissens deiner Arbeit nachgehen und nicht das Entertainmentprogramm spielen. Die Unterhaltung deiner Kinder liegt nicht in deiner Verantwortung. So kannst du auch erholter und zufriedener wieder in gemeinsames Spiel mit deinen Kindern gehen.

Was tut ihr, wenn euer Kind sich brennend für ein bestimmtes Thema interessiert und gerne ein Buch oder anderes Material „aufsaugen“ möchte? Wo kriegt ihr das auf Reisen her?

Unterwegs ist die Materialbeschaffung meist mit etwas mehr Aufwand verbunden, weil wir ja nicht alles direkt in der richtigen Sprache vorfinden. Wenn möglich, werden Bücher als eBooks gekauft (was natürlich noch den Vorteil hat, dass sie platzsparend sind). Geht das nicht oder ist es nicht sinnvoll, so bestellen wir online. Entweder an eine lokale Adresse, die wir uns organisieren müssen oder, wenn es mehrere Sendungen sind, zu unserer Verwandtschaft nach Deutschland, die dann wiederum alles zusammen an eine lokale Adresse bei uns versendet. Manchmal finden sich aber auch über Reisecommunities Menschen in der Umgebung, die das Gewünschte haben.

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Ist Freilernen / Unschooling nicht ganz schön anstrengend, wenn du zwei/drei/vier Kinder selbst unterrichtest?

Nein. Denn wir unterrichten nicht. Wir leben unser Leben weiter so wie vor dem 6. Geburtstag. Sie lernen beim Freilernen / Unschooling genau so weiter, wie sie die ersten sechs Jahres ihres Lebens auch schon gelernt haben. Ja, ein Leben mit Kindern ist anstrengend. Doch wie bei allem haben wir die Wahl:

Ob wir meinen kämpfen zu müssen oder ob wir auch ein großes Stück Vertrauen in uns und unsere Kinder setzen wollen. Wir können uns dafür entscheiden, nicht die Beziehung zu unseren Kindern auf’s Spiel zu setzen. Eltern, die das tatsächlich tun, haben es leider schwer mit Kindern an deutschen Schulen. Ständig ecken sie an, weil sie nicht mehr bereit sind, den verlängerten Arm der Lehrkraft zu spielen und Gesetze bei sich zuhause durchzuboxen, hinter denen sie selbst nicht stehen. Auf Dauer ist die Belastung innerhalb der Familie, ausgelöst vom Schulsystem, anstrengender als ein Alltag mit der ganzen Familie ;).

Wie vereint ihr Unschooling / Freilernen mit eurer Karriere?

Je nachdem, wie man Karriere definiert, kann sich Unschooling in der eigenen Familie als hinderlich erweisen auf die Karriere. Wenn nun also alle Bezugspersonen einen Arbeitsalltag außerhalb der Familie anstreben, so dass niemand zur Betreuung und für Hilfestellung vorhanden ist, so dürfte das Ziel mit den Kindern gemeinsam zu leben verfehlt sein.

Wir halten es für wichtig, das mindestens eine Bezugsperson den Kindern ständig zur Verfügung steht (entsprechend dem Alter und Fähigkeiten des Kindes angepasst natürlich). Ist das Ziel des Freilernens / Unschooling für eine Familie groß genug, so wird sie Wege finden Karriere und gemeinsames Familienleben zu vereinen.

Gibst du Impulse „sich mal an den Tisch zu setzen“? Wie oft findet „begleitetes Lernen“ beim Freilernen / Unschooling statt? Lernt ihr auch mit Lehrplan?

Ich mache Angebote, die aber tatsächlich nur Angebote sind und von meinen Kindern auch als solche verstanden werden. Ein Angebot darf man ablehnen und der/die Anbietende weiß das und hat keinen Grund deshalb sein Verhalten zu ändern oder eingeschnappt zu sein. Diese „Impulse“ sind immer freiwillig und bedingungslos.

Wir wissen, dass lernen hauptsächlich nicht am Tisch stattfindet, sondern immer in unserem Alltag, unserem ganz normalen Leben. Natürlich bieten wir Begleitung oder Hilfestellung an, sollten wir den Eindruck haben, dass ein Kind dies grad annehmen mag oder eben aktiv selbst danach fragt.

Führen deine Kinder Hefte zu bestimmten Themen oder schreiben sich Gelerntes auf?

Das ist von Zeit zu Zeit und auch von Thema zu Thema unterschiedlich. Manchmal gibt es den Wunsch Listen oder Sammlungen zu erstellen. Das wird dann gemeinsam oder auch alleine gemacht, aber haben diese meist im Nachhinein wenig Bedeutung für die Kids. Die Erstellung selbst ist für sie der eigentlich Sinn. Natürlich kann sich das jederzeit ändern.

Wie weit sind deine Kids im Vergleich zu Gleichaltrigen?

Eine gerne gestellte Frage, auch verdeckt als „In welcher Klasse wären deine Kinder jetzt?“ oder „Wie alt sind deine Kinder?“, nachdem gefragt wurde, ob sie schon lesen, schreiben und rechnen können, auftaucht.

Da ich weiß, dass meine Kinder ganz anders lernen und dies absolut nicht vergleichbar ist mit dem wie Kinder im Schulsystem lernen, kann ich darüber keine eindeutige Aussage machen. Würde ich gezwungenermaßen die Kenntnisse meiner Kids in Fächer einteilen, wären sie Gleichaltrigen in manchen Fächern weit voraus und in anderen hätten sie aus schulischer Sicht Nachholbedarf. Da das aber irrelevant ist für mich, stelle ich diesen Vergleich nicht an.

Hat dich schon mal jemand mit 20 gefragt, wie alt du warst, als du fließend laut lesen konntest? Noch nie? Genau deshalb. Ob du es mit 4 Jahren schon konntest, mit 6, mit 9 oder mit 16 gelernt hast, juckt niemanden später mehr.

Was hat euch zum Freilernen bzw. Unschooling inspiriert?

Was mich zum Unschooling / Freilernen inspiriert hat, liest du in meinem Artikel Freilernen (Unschooling) – Weg in die Freiheit

Wo findet ihr (kostenloses) Lernmaterial?

Überall. Das Internet und das Leben draußen vor der Tür ist voll davon. Als Angebote habe sie ein paar „Lernapps“ wie „Anton“ oder „Fiete“ auf den Geräten, die mal mehr und mal gar nicht genutzt werden.

Aber auch ich haben weitere Materialien immer als Angebote parat.

Welche das sind, das ist sehr wechselhaft. Gerade für den Beginn findest du hier ein paar, die nützlich waren: Freilernen mit Material? Womit wir lernen.

Wie könnt ihr freilernen und dabei der Schulpflicht entgehen?

Da wir sowieso länger reisen wollten, sind wir erstmal losgezogen. Haben festen Wohnsitz gegen Abenteuer eingetauscht und haben Deutschland verlassen. Wie du damit aus der Schulpflicht kommst, kannst du hier nachlesen: Raus aus der Schulpflicht – jetzt reisen und auswandern ohne Schule.

Es gibt allerdings auch Familien, die zum Freilernen in Deutschland geblieben sind. Sollte das dein Plan sein, so schau mal beim BVNL vorbei und hol dir die Hilfestellung, die du benötigst.

Wir wir die ganze Bürokratie wie Schulpflicht, Kindergeld und Finanzamt angegangen sind, bevor wir endlich auf Reisen gehen konnten, erzähle ich in meinen eBooks.

Zwischen Freiheit und Finanzamt

Zwischen Freiheit und Finanzamt

Freie Schulen bzw. Waldorfschulen als Alternative zum Freilernen?

Auch Freie Schulen unterstehen den deutschen Schulgesetzen der einzelnen Bundesländer. Sie sind nur so frei, wie es das jeweilige Schulgesetz zulässt. Auch auf diesen Schulen müssen letztendlich die jungen Menschen bewertet, analysiert und in Kurven gepresst werden. Auch wenn einiges davon vielleicht zum Wohle des Kindes nur auf dem Papier passiert.

Viele freie Schulen klingen in der Theorie oftmals schon wunderbar, wenn man sich die wirklich frei anmutenden Konzepte durchliest. Kommt man aber in Kontakt mit der Praxis aus erster Hand, hören wir vermehrt auch anderes.
Auch hier findet ein Großteil des Alltags aus Zwang außerhalb der Kernfamilie statt und auch hier gibt es oft nicht genug Personal, um ungesunde Gruppendynamiken zu erkennen und zu vermeiden.

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Für kompromissbereite Familien sicherlich im Einzelfall eine tolle Lösung.

Wie gehe ich mit Kritik innerhalb der Familie um?

Ich habe mir über die Jahre einen Ruf in meiner Familie erarbeitet, der dafür sorgt, dass meine Familie nicht mehr allzu überrascht ist, wenn ich wieder mal alles anders mache, als sie es gewohnt sind. Anfangs habe ich mich noch zu Diskussionen und Erklärungen hinreißen lassen. Später, als ich merkte, dass das zu nichts führt, haben ich diese Energie gespart und meiner Familie Literatur und Dokumentationen empfohlen mit dem Angebot, danach gerne darüber zu sprechen.

Ein Teil der Familie hat dieses Angebot angenommen und steht seither vollkommen hinter der Entscheidung. Ein anderer Teil hat sich nicht weiter damit befasst und kommt auch nach vielen Jahren noch mit den immer selben Gedanken und Bedenken auf mich zu. Allerdings entscheiden ich, wie ich damit umgehe und störe mich nicht daran. Niemand muss alles gut finden, was ich mache.

Gibt’s Literatur für skeptische Großeltern oder Partner? Buchtipps?

Ja! Es gibt viele wunderbare Dokumentationen und Bücher übers Freilernen, aber eine ganz besondere möchte ich dir hier vorstellen. Es handelt sich um den Film „Alphabet“ und lässt u.a. auch Hirnforscher wie Gerald Hüther zu Wort kommen, um das ganze Thema „Lernen“ von der wissenschaftlichen Seite beleuchten.

alphabet - Der Film
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An Literaturempfehlungen von der Familie Stern über Klassiker von John Holt und Taylor Gatto und vielen weiteren:

André Stern

… und ich war nie in der Schule

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John Taylor Gatto

Verdummt nochmal

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Arno Stern

Wie man Kinderbilder nicht betrachten sollte

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John Holt

Aus schlauen Kindern werden Schüler

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Bildung in Freiheit

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Wie kleine Kinder schlau werden

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Geht’s auch ohne Schule?

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Aber mein Kind geht gern zur Schule, warum sollte ich es aus der Schule nehmen?

Ich weiß, dieser Satz fällt oft. Tatsächlich bin ich aber der festen Überzeugung, dass kein Kind gern zur Schule geht.
Zum Einen liegt das daran, dass Kinder bei solchen Fragen gerne so antworten, wie es die Erwachsenen gerne hätten, auch um lästige weitere Fragen zu vermeiden (Hast du deiner Tante immer gesagt, dass du kein Bock auf Schule hast, wenn sie dich 2x pro Jahr danach fragte im Beisein der gesamten Familie?) und auch aus der Erfahrung heraus, dass ihre Meinung dazu eh nicht ernstgenommen wird („Tja, da müssen wir halt alle durch.“).

Zum Anderen liegt das aber an der Sache selbst: Was ist Schule, was beinhaltet Schule eigentlich wirklich und wie trennt sich Schule vom Alltag? Was ist es genau, das mein Kind an der Schule mag und ist es etwas, dass es nur in der Schule erleben kann?

Wir Eltern neigen dazu, Situationen, die wir meinen nicht ändern zu können („Es muss doch jedes Kind zur Schule gehen…!“), uns selbst und anderen schön zu reden. Wir interpretieren dann einfach mehr in die Aussagen unserer Kinder über den ach so schönen Schulbesuch hinein, als unsere Kinder uns damit eigentlich mitteilen wollen.

Beispiel Freundschaft: „Mein Kind geht gern zur Schule, denn da sind seine Freunde.“ Jo, versteh ich. Deshalb geht dein Kind noch lange nicht gerne zur Schule mit all den Dingen, die zum Schulbesuch dazu gehören (nämlich u.a. Zwang), sondern es sieht halt einfach gerne seine Freunde. Du könntest genauso. gut sagen: „Mein Kind spielt gern auf der Spielstraße vorm Haus mit den Nachbarskindern“ oder „Mein trifft nachmittags gerne seine Freunde“. Dass es seine Freunde gerne sieht, hat rein gar nichts mit dem Schulbesuch an sich zu tun. Ich möchte wetten, dein Kind trifft seine Freunde lieber außerhalb der Schule, als in der Schule. Wenn es die Wahl hätte.

Wäre die Schule ein Ort, an den man wirklich gerne hingehen würde, so wäre auch dieses große Tamtam zum Schulanfang schlichtweg überflüssig. Es wäre Freude genug, endlich zur Schule gehen zu dürfen. Genau so, wie es viele Kids lieben, in einen Freizeitpark zu gehen. Oder feierst du dein Kind vor dem Besuch des Freizeitparks auch mit Süßigkeiten und Geschenken, weil es jetzt endlich groß genug ist, um die Achterbahn zu fahren?

Wohl kaum. Dieses TamTam wird veranstaltet, weil wir tief in uns drinnen wissen, dass die Schulzeit nicht geil sein wird. Wir wollen unserem Kind, solange es uns möglich ist, eine Party daraus machen. Wir wollen, dass es Schule mit positiven Dingen verknüpft, bevor es selber merkt, dass Schule all das eben nicht ist. Wir wollen es ihm damit leichter machen. Weil wir es lieben und schützen wollen. Und dazu nehmen wir in Kauf es anzulügen.

Lies hier weiter: „Mein Kind geht (nicht) gern zur Schule“: 4 Gründe, warum kein Kind ernsthaft gern zur Schule geht.

Wirst du auch zum Unschooling bzw. Freilernen befragt oder hast du sogar selber Fragen? Stellt sie mir hier in den Kommentaren oder per Kontaktformular.

Hanna

Hanna

Hanna, Mama von zwei freilernenden Wildfängen, reist seit 2019 Vollzeit mit ihrer Familie im Wohnmobil. Mit Blog, eBooks und Kursen hilft sie als Online Marketing Strategist anderen freiheitsliebenden Familien dabei, ihren eigenen Weg in die Unabhängigkeit zu finden.

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3 Kommentare

  1. Der Artikel spricht mir aus dem Herzen – tiefgründig gedacht, kenntnisreich und mit schlagfertigen Argumenten.
    Zwei meiner Kinder leiden auch unter dem System Schule, obwohl ich beiden immer Mut gemacht habe und versucht habe, sie zu motivieren. Doch irgendwie bin ich selbst ein Freigeist und lerne heute noch mit Begeisterung vom Leben. Das muss auf meine Kinder abgefarbt haben.
    Nun plane ich eine Weltreise Open end. Für meine Kleine (jetzt 10) wird es ein Segen sein. Meine Mittlere (15) ist süß gesundheitlichen Gründen momentan von der Schulpflicht befreit. Mein Großer legt sich gerade ins Zeug, einen guten Realschulabschluss zu erreichen. Er will unbedingt Abitur machen und studieren.
    Ich hoffe, dass es trotzdem meinen Kindern etwas gibt, wenn es in ca. 2 Jahren losgeht. Der Große wird wahrscheinlich teilweise mitkommen… Wir werden sehen, wie das Leben dann so spielt.
    Auf jeden Fall werde ich dem Block hier mit den hilfreichen Informationen folgen. 👍🏼

    Antworten
    • Danke dir! Wir drücken euch die Daumen, dass sich alles so entwickelt, wie ihr es euch wünscht! 🙂

      Antworten
  2. Danke! Danke! Danke!

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