Was ist Deschooling?
Deschooling, das „Entschulen“, beschreibt im praktischen Sinne den mentalen Prozess, den ein Mensch durchläuft, wenn er/sie das gängige Schulsystem verlässt und Freilerner (Unschooler) oder Homeschooler wird. Doch er betrifft nicht nur diesen einzelnen Menschen, sondern i.d.R. die gesamte Familie, die diesen Menschen begleitet, der/die nun außerhalb der Institution Schule leben wird.
Der Ursprung des Deschooling und Schulkritik
Der Begriff „Deschooling“ wurde vom Philosophen und Autor des Buches „Deschooling Society“* Ivan Illich geprägt. Das Buch erschien 1971 und entstand aus der 68er-Bewegung, die bereits begann das herrschende Schulsystem zu kritisieren. Andere frühe Kritiker des Schulsystems sind u.a. John Holt, Paul Goodman, Everett Reimer und Ian Lister, die wichtige Werke für alle Interessierten zu bieten haben, ebenso wie die heutigen Kritiker um die Stern-Familie (Arno, Bertrand und André Stern), John Taylor Gatto, sowie der Neurobiologe und Autor Gerald Hüther.
Die Kritik der damaligen Deschooler am Schulsystem ist heute aktueller denn je. Die Institution Schule vermittelt ungefähr so viel Bildung wie ein Pfarrer akkurater Ansprechpartner für Familien- und Eheberatung sein kann.
Denn Vermittlung von Bildung ist gar nicht das vorrangige Ziel der Institution Schule, auch wenn dies als Daseinsberechtigung der Schule eingesetzt wird.
Zu erkennen ist dies recht simpel daran, dass vielerorts keine anderen Bildungswege zugelassen werden neben der Schule und dies zu einer Monopolstellung der Institution Schule führt, die über weitere Bildungswege und Berechtigungen entscheidet. Kinder werden ab einem bestimmten Alter der Indoktrination der Regierung, die grad an der Macht ist, ausgesetzt, ohne die Möglichkeit nach links und rechts zu blicken. Schule ist somit immer politisch. Die Mehrheit der Menschen, die sie durchlaufen, werden von ihr zu Menschen gemacht, die geführt werden müssen, während einige wenige ausgebildet werden, um diese zu führen.
Doch hier soll es nicht vorrangig um die Kritik am Schulsystem gehen. Für Interessierte: Hier findest du unsere Gründe für’s Freilernen und so einige Kritikpunkte am Schulsystem des Autoren Ian Lister.
Weiter geht’s mit Deschooling heute:
Der Prozess des Deschooling heute
Heutzutage meint Deschooling in der Praxis den Prozess, der durchlaufen wird, wenn ein Mensch das klassische Schulsystem verlässt. Vom Schooling („beschult werden“) führt nur der Weg über das Deschooling („sich entschulen“) zum Unschooling (Freilernen) oder manch freiere Art des Homeschooling (Heimunterricht). Außer natürlich für Menschen, die niemals beschult wurden.
Oft geht diese Phase des Übergangs mit vermeintlicher Strukturlosigkeit, Langeweile und Schwierigkeiten sich in die neue Situation einzugewöhnen einher. Ein beschulter Mensch, der es von kleinauf an gewohnt war, gesagt zu bekommen, was er zu tun hat, dem ein Rahmen gesteckt wurde und der nicht selber wählen durfte, womit er sich beschäftigt, ist häufig von der neuen Freiheit anfangs überfordert.
Je nach Dauer der Beschulung, Alter des Menschen und Persönlichkeitstyp kann diese Phase von einigen Monaten über mehrere Jahre andauern. Das Deschooling ist abgeschlossen, wenn der Mensch aus sich selbst heraus gelernt hat, sich eine eigene Struktur zu geben (die nicht mit den Ansichten anderer übereinstimmen müssen, was eine gute Struktur ist!), das schulische Denken verlernt hat und in der Lage ist, sich selbstbestimmt zu bilden.
Deschooling in der gesamten Familie
Deschooling betrifft allerdings nicht nur das Kind, das aus dem beschulten Leben ausbricht, sondern sein gesamtes Umfeld, insbesondere die engsten Bezugspersonen wie die eigene Familie. Durchlaufen die Eltern nur in der Theorie diese Phase, also kritisieren sie eventuell das Schulsystem, zeigen aber nicht in ihrem Alltag, dass sie Vertrauen in ihren neuen Weg und ihre Kinder haben, so werden sie selbst zum häufigsten Fallensteller für ihre eigenen Kinder.
Wenn sich Eltern dazu entscheiden, dass ihre Kinder niemals eine Schule aus Zwang besuchen sollen, dann mögen diese Kinder den Prozess des Deschooling nicht nötig haben. Die Eltern, die selbst noch beschult wurden, durchlaufen das Deschooling aber trotzdem, da auch sie erstmal Vertrauen in sich und ihre Entscheidung gewinnen müssen, die Freiheiten ab vom durchschnittlichen Familienalltag beschulter Familien in ihren Familienalltag integrieren lernen, um ihren Kindern (und sich selbst!) das Umfeld zu erschaffen, dass diese benötigen, um sich optimal zu entwickeln.
Eltern, die sich selbst noch im mentalen Prozess des Deschooling befinden, neigen dazu:
- die Leistungen ihrer Kinder mit denen beschulter Kinder zu vergleichen (insbesondere in den ersten Jahren, wenn den Eltern oft Lesen, Schreiben, Rechnen von vorrangiger Wichtigkeit ist),
- zu versuchen dem Kind einen Weg vorzugeben, indem sie z. B. meinen zu wissen, was wichtig für das Kind zu wissen ist, wann es mal „mehr tun“ sollte,
- indem sie mehr erklären als vom Kind gefragt wird, was dazu führt, dass das Kind belehrt wird und in der Folge weniger fragt, weil es zu viele für es selbst irrelevante Informationen um die Ohren gehauen bekommt,
- sich selbst nicht für die hellste Kerze auf der Torte halten und deshalb zweifeln, ob sie ihre Kinder optimal begleiten können.
Insbesondere der letzte Punkt erinnert mich an folgendes Zitat:

„Stelle nicht deine Fähigkeit in Frage, dein Kind zu begleiten. Stelle in Frage dein Kind in das selbe System zu stecken, das dich fühlen/glauben lässt, dass du unfähig bist dein Kind zu begleiten.“
Ich mag an dieser Stelle teaching mit begleiten und nicht mit unterrichten übersetzen, da wir als Freilerner eben nicht unterrichten. Dem Kern der Aussage tut dies aber keinen Abbruch:
Stellt ihr einen dieser Punkte bei euch fest (das tun wir wohl alle dann und wann mal), dann lasst euch nicht davon entmutigen, sondern arbeitet verstärkt an euren Zielen und vertraut. Vertraut euch selbst und vertraut euren Kindern. Nichts einfacher (oder schwieriger) als das.
John Holt, Autor von „How Children Learn“*:
„Alles was ich in diesem Buch sage, kann in zwei Worten zusammengefasst werden:
Vertraut Kindern.
Nichts könnte einfacher oder schwieriger sein. Schwierig, weil wir, um unseren Kindern zu vertrauen, erst lernen müssen uns selbst zu vertrauen, obwohl die meisten von uns als Kinder lernten, dass man uns nicht trauen könne.“

Was euch legal aus der deutschen Schulpflicht befreit, liest du in Raus aus der Schulpflicht – jetzt reisen und auswandern ohne Schule.
Weiters zum Thema Freilernen, Umsetzung im Alltag, Rechtliches und weitere Tipps findest du in unserem Blog.
Toller Artikel. Darf ich den dann und wann mal z. B. auf Facebook verlinken? Du hast das gut erklärt, ich selbst hab‘ da gerade auch was für mich draus mitgenommen.
Ganz liebe Grüße aus Hamburg!
Karo 🌞
Hallo Karo, liebend gern darfst du den Artikel verlinken! 🙂 Freut mich total, wenn er hilfreich ist. Liebe Grüße in die schönste Stadt der Welt 😉